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Online-Handel als Bedrohung für den stationären Handel?

Schon seit Jahren wird das langsame Ende des stationären Handels prophezeit. Warum auch noch das Haus verlassen, wenn es ohnehin alles bei Amazon und Co gibt? Die düsteren Prophezeiungen sind doch nach wie vor nicht eingetreten, der stationäre Handel gibt sich selbstbewusst. Kunden bevorzugen immer noch die Innenstädte für einen Schaufensterbummel, obwohl die Konzepte der Händler im Netz immer ausgeklügelter werden.

Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Handelsforschung Köln und der Beratungsgesellschaft KPMG kaufen mehr als neun von zehn Personen Mode und Bekleidung auf oder in direkter Nähe zu den Einkaufsstraßen. Ein Klick am Computer bietet schließlich nicht das gleiche Einkaufserlebnis.

Den Kunden mit einer emotionalen Einkaufsatmosphäre locken

Der bloße leichte Zugang zu Geschäften des stationären Handels reicht jedoch nicht aus, um die Kunden auch dauerhaft zu binden. Die Innenstädte müssen den Einkauf zu einem Rundum-Erlebnis machen: nach dem Bummel sollte die Möglichkeit vorhanden sein noch etwas zu essen, zu trinken oder einfach in angenehmer Atmosphäre zu verweilen. Denn: grundsätzlich ist die Bereitschaft der Menschen, Geld in den Innenstädten auszugeben, vorhanden. Jedoch muss der Kunde sich beim Einkauf auch emotional angesprochen fühlen, denn schließlich hat der stationäre Handel einen Trumpf in der Hand, den der Online-Handel nicht hat: persönliche Interaktion. Wenn der Kunde sich nicht nur gut beraten, sondern auch gut aufgehoben fühlt, steigt seine Bereitschaft zum Kaufen. Und das kann kein Online-Shop ersetzen.

Abbildung 1: Zum Greifen nahe – Stationärer Handel bedeutet Einkaufen mit allen Sinnen

Mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Händen anfassen

Natürlich bieten die meisten Online-Shops mittlerweile nicht nur kostenlosen Versand, sondern auch kostenlosen Rückversand. Dadurch ist es kein Problem sich die Ware erstmal nach Hause schicken zu lassen, um sie dann anzuprobieren und erst später die Kaufentscheidung zu treffen. Aber wer möchte schon warten? Wenn ein gewisses Kaufbedürfnis vorhanden ist, sollte dies auch wenn möglich sofort gestillt werden können. Und dies erfüllt nach wie vor der stationäre Handel am besten: anfassen, anprobieren, ausprobieren und die Aussicht, die Ware sofort mitnehmen zu können. Bei Nichtgefallen bleibt sie einfach im Laden und Zurückschicken ist gar nicht erst nötig.

Beide Konzepte vereinen

Um auch zukünftig wettbewerbsfähig sein zu können, sollten Händler auch im Internet präsent sein. Das muss nicht unbedingt heißen, direkt einen eigenen Online-Shop zu betreiben. In erster Linie geht es darum auch im Internet auffindbar zu sein.

Momentan werden rund zehn Prozent der Einzelhandelsumsätze online generiert, Lebensmittelsektor außen vor gelassen. In Zukunft ist sogar mit einer Verdopplung des Umsatzes im E-Commerce-Bereich zu rechnen. Allen voran wird diese Entwicklung von Unternehmen des stationären Handels getrieben, die das Internet als zusätzlichen Vertriebsweg für sich entdeckt haben.

Der noch in den Vorjahren zweistellig wachsende Online-Markt hat sich mittlerweile etwas beruhigt und zudem gibt es genau umgekehrte Tendenzen und Bemühungen der großen Online-Händler auch in den stationären Handel einzusteigen – so zum Beispiel Amazon. Das zum Online-Allrounder angewachsene Unternehmen hat in den USA Buchhandlungen eröffnet, die auch gleichzeitig als Abhol- und Rückgabestationen für im Internet bestellte Artikel fungieren. Auch der deutsche Online-Riese Zalando kommt nicht mehr komplett ohne Läden aus und betreibt Outlet-Stores in Berlin, Frankfurt und Köln.

Abbildung 2: Zu langsam, zu unübersichtlich – Schlechte Usability schmälert das mobile Einkaufsvergnügen

Deutsche Unternehmen verpassen den M-Commerce-Boom

Der Online-Handel bietet jedoch nach wie vor großes Entwicklungspotential. Da die Verbreitung und Nutzung mobiler Endgeräte nach wie vor steigt, besteht seitens der Online-Shops dahingehend Optimierungsbedarf. Mobile Commerce, kurz M-Commerce, beschreibt dabei alle Transaktionen die von einem Smartphone, Tablet oder Netbook getätigt werden. Salopp gesagt: Einkaufen mit dem Handy.

Laut einer aktuellen Studie von Adobe – „Best of the Best Europe 2016“ – nutzen Online-Händler den steigenden Traffic allerdings nicht aus. Mangelhafte Usability führt dazu, dass es eher selten zu tatsächlichen Kaufabschlüssen kommt, so das zentrale Ergebnis. Für die Studie wurden über 5000 Internetnutzer aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Schweden und den Niederlanden befragt. Zudem wertete das Unternehmen 100 Milliarden Seitenaufrufe auf rund 3.000 europäischen Websites aus, mit einem überraschenden Ergebnis: trotz Anstieg des mobilen Traffics auf 30% Prozent, erreicht die Zahl der Kaufabschlüsse nicht einmal eine einstellige Prozentzahl.

Dabei hindert vor allem technischer Rückstand deutsche Unternehmen daran auch im M-Commerce-Bereich zu wachsen. Trotz Top-Entwickler sind sie offenbar nicht in der Lage für den Kunden ein ansprechendes mobiles Kauferlebnis zu erzeugen. Dabei bemängeln 38 Prozent der befragten die Umsetzung geräteübergreifender Inhalte, 48 Prozent beklagen fehlendes responsives Webdesign. Fast die Hälfte aller Befragten ärgert sich über lange Ladezeiten und eine unübersichtliche Navigation. Kein Wunder also, dass Mobil-Nutzer im Schnitt nur rund 5,97 Minuten auf den mobilen Websites verweilen – ohne Conversions zu generieren.

Umdenken ist gefragt!

Das Wachstum des Online-Handels hat sich verlangsamt und sogar gegenläufige Tendenzen sind zu erkennen. Im Mobile Commerce ist jedoch Potential vorhanden, welches die Unternehmen schlichtweg besser nutzen können, um auf den Zukunfts-Zug des Online-Handels aufzuspringen. Denn auch hier gilt das Gleiche wie im stationären Handel: fühlt sich der Kunde wohl, neigt er eher dazu das Portemonnaie zu zücken. Er wird jedoch nicht ewig warten, bis der Online-Shop endlich auf seinem Smartphone geladen hat.
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Bild 1: pixabay.com CC0 Public Domain
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